15.01.2021
Mengenmäßige Erfassung des wirtschaftseigenen Futters
DLG MERKBLÄTTER
Themen
Allgemein Betriebsmittel Betriebsmanagement Futter und Fütterung Grünland Milch Nachhaltige Landwirtschaft Nachwachsende Rohstoffe Pflanzen Pflanzenernährung Rinder Viehhaltung
DLG-Merkblatt 416
1. Ertrag: Mehr vom Aufwuchs wirklich nutzen!
Im Grünland- und Futterbaubetrieb ist das Ziel, möglichst viel hochwertiges wirtschaftseigenes Futter kostengünstig zu erzeugen und durch die auf dem Betrieb gehaltenen Nutztiere bestmöglich zu verwerten oder gegebenenfalls an andere Betriebe zu verkaufen.
Betriebsleiter, die dies anstreben, sollten ihre Ernteerträge von den Aufwüchsen sowie die verschiedenen Verlustquellen und Verlustgrößen auf dem langen Weg vom Feld über das Silo in den Trog und letzten Endes in das Maul der Kuh kennen. Sie sollten wissen, wieviel auf ihren Flächen aufwächst (Bruttoertrag) und wieviel davon in der Fütterung wirklich genutzt wird (Nettoertrag).
Die Höhe der Differenz beeinflusst in erheblichem Maß die Wirtschaftlichkeit und die Effizienz des Ressourceneinsatzes des Betriebes. Nach Berechnungen von Dorfner und Hofmann (2013) bedeuten 30 % Verlust in Abhängigkeit des Ertragsniveaus ca. 1.000 Euro/ha weniger Umsatz in der Milcherzeugung.
Regional unterschiedlich werden in vielen Futterbaubetrieben die Erntemengen und Futterverluste bisher mangels Wiegemöglichkeiten auf dem Betrieb oder aufgrund des hohen Zeitdruckes speziell bei der Futterernte aber nicht erfasst. Insbesondere die Futterverluste werden meistens erheblich unterschätzt (s. Abbildung 1). Eine betriebsspezifische Quantifizierung findet nicht statt. Dabei wird die grundlegende Bedeutung einer genauen Ertragserfassung für die gesamte betriebliche Futterwirtschaft verkannt. Außerdem ist die Ertragserfassung Voraussetzung für die sachgerechte Abschätzung des Nährstoffentzugs im Düngemanagement vergleichbar mit der Milchkontrolle in der Fütterungsplanung und dem Fütterungscontrolling.
Die Erfassung der Futtererträge ist eine Voraussetzung für eine flächen- und teilflächenspezifische Bewirtschaftung.
Im Rahmen eines interdisziplinären Projektes an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) wurde an fünf Futterbaubetrieben in den vergangenen Jahren eine Gesamtanalyse der Futterwirtschaft durchgeführt (Köhler et al., 2014 a). Demnach bewegen sich die TM-Verluste in der Kette zwischen 20 und 30 %. Aus den Ergebnissen und weiteren Erfahrungen wurden in Abstimmung mit mehreren Fachdisziplinen Begriffsdefinitionen abgeleitet, die eine genaue Abgrenzung der Verfahrensstufen von der Ernte bis zur Futteraufnahme klären und somit zu einer verbesserten Aussagefähigkeit in den Futterbausystemen führen sollen.
2. Erfassung und Beschreibung braucht definierte Begriffe
Um die einzelnen Mengengrößen auf den unterschiedlichen Ernte-, Einlagerungs-, Konservierungs-, Auslagerungs-, Futtervorlage- und Fütterungsstufen erfassen und beschreiben zu können, müssen anhand definierter Messstellen im Produktionsprozess einheitliche Begriffsdefinitionen für Masse- und Stoffströme im Futterbausystem abgeleitet sowie differenziert beschrieben und quantifiziert werden. Die Begriffsdefinitionen, die über die Bereiche Pflanze – Tier – Technik – Energie – Ökonomie Anwendung finden sollen, ermöglichen einen verbesserten interdisziplinären Austausch und gewährleisten die Vergleichbarkeit von Bewertungsansätzen.
Begriffsdefinitionen
Die Begriffsdefinitionen zu den einzelnen Ertrags- und Mengenebenen im Futterbausystem werden entlang der Prozesskette dargestellt (Abbildung 2). In dieser innerbetrieblichen Kaskade werden die Bezugsebenen Fläche – Lager – Tier abgegrenzt, um die entsprechenden Größeneinheiten in den Fachdisziplinen (z. B. dt Trockenmasse (TM)/ha oder kg TM/Tier) anwenden sowie auch innerhalb des Systems in eine andere Größeneinheit wechseln zu können.
Die Ertrags- und Mengenebenen richten sich nach den Messstellen im Futterbaubetrieb, die in der Praxis – sofern nicht mit Faustzahlen operiert wird – mit entsprechenden Messeinrichtungen und einem begleitenden Qualitätscontrolling erhoben werden sollen. Die Definitionen beginnen mit dem Pflanzenaufwuchs, der die je nach Verfahren erntbare Menge zu 100 % darstellt. Eine für Nährstoffbilanzen wichtige Messgröße ist der „Ernteertrag“, da auf dieser Menge die Nährstoffabfuhren von der Fläche basieren. Weitere Definitionen umfassen die Mengen, die die verschiedenen Lager- oder Konservierungsverfahren berücksichtigen und bis zu den vom Tier aufgenommenen Futtermengen – der Futteraufnahme – führen. In dieser Abfolge werden die an den jeweiligen Stellen auftretenden Masse- bzw. Nährstoffverluste berücksichtigt, die in dem beschreibenden Glossar ausgeführt sind (s. Übersicht).
Übersicht: Beschreibendes Glossar zu den Begriffsdefinitionen
Die Bezeichnung Menge bezieht sich auf Masse und Nährstoffe. Auf allen Ebenen wird der Massefluss auf Basis Trockenmasse (TM) angegeben. Die Einheiten auf den jeweiligen Ertrags- und Mengenebenen sind für die Fläche (dt TM/ha, kg N bzw. P bzw. K/ha), für das Lager (dt TM/Lager, kg NPK/Lager) und für das Tier (kg TM/Tier, kg N bzw. P bzw. K/Tier) anwendbar und wählbar. Die Definitionen der Ertrags- und Mengenebenen gelten gleichfalls für die Substratwirtschaft im Rahmen der Biogaserzeugung und führen auch hier zu einer einheitlichen Abgrenzung der Mengen, insbesondere in Bezug auf deren Handelbarkeit.
Mit der systemumfassenden Begriffsdefinition wird über die Fachdisziplinen hinaus eine gemeinsame Bewertungsebene geschaffen. Damit ist je Produkteinheit eine übereinstimmende Basis für ökonomische (z. B. Betriebszweigauswertung) und umweltrelevante Faktoren (z. B. Treibhausgas-Emissionen) gegeben. Darüber wird die Aussagefähigkeit von Bewertungsansätzen auf Systemebene erhöht. Somit leisten diese Punkte einen Beitrag zur Nachhaltigkeit in den Nährstoffkreisläufen von Futterbau-Produktionssystemen. Das Schema ist für die Anwendung in Forschung, Lehre und Praxis konzipiert.
3. Anwendung
Erst durch eine Ertragserfassung kann im Futterbaubetrieb eine hinreichend genaue Futter- und Düngeplanung erfolgen. Als Grundsatz gilt hierzu:
Nur wer misst, kann auch steuern! Wer seine Futtermengen nicht kennt, kennt auch seine Futterkosten nicht. Die Kenntnis der Futterkosten sind aber ein wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Betriebsführung.
Die Erträge von Grobfutteraufwüchsen können witterungsbedingt aber auch in Abhängigkeit des Standortes, der Düngung und der Leistungsfähigkeit des Pflanzenbestandes erheblich schwanken. Mit Ertragsmessungen auf den einzelnen Stufen können im Produktionsprozess Schwachstellen lokalisiert und Optimierungsmaßnahmen ergriffen werden. Konkrete Messungen von Masse- und Nährstoffströmen in Futterbaubetrieben haben gezeigt, dass die Verluste „vom Feld bis zum Trog“ bis zu 30 % der TM und in einzelnen Fällen sogar noch mehr ausmachen können (Köhler et al., 2013, 2014 b). Somit liegen erhebliche Reserven in der Praxis vor, um eine höhere Effizienz in Futterbau-Produktionssystemen zu erreichen.
Fünf Prozent weniger Grobfutterverluste vom Feld zum Trog bedeuten ca. 1 Cent geringere Erzeugungskosten pro Liter Milch!
Wie erfolgen die Messungen?
Für die Ertragsmessung bei der Futterernte bietet sich die Onlinemessung zur Ertrags- und Feuchtemessung auf dem Feldhäcksler an. Bei geeigneter Kalibrierung können damit verlässliche Ergebnisse erzielt werden. Landwirte sollten daher verstärkt bei Lohnunternehmern oder Maschinenringen die Ertragserfassung anfordern. Sofern auf dem Betrieb eine Fuhrwerkswaage vorhanden ist, sollten die Erntewagen gewogen und die Trockenmasse bestimmt werden. Eine weitere Möglichkeit sind Erntewagen mit Wiegeeinrichtung in der Erntekette.
Um die konkreten Futtermengen, die in den Stall gelangen, auf dem Betrieb zu erfassen, sollen Mischwagen mit einer Wiegeeinrichtung genutzt werden. Damit ist die Kontrolle des gesamten Futtereinsatzes möglich und die Silagemengen können bei der täglichen Futterentnahme am Silo automatisch erfasst werden. Mit diesen beiden Messstellen kann in der Praxis im Futterbaubetrieb eine vollständige Ertrags- und Futtermengenerfassung umgesetzt werden.
4. Weiterführende Literatur
Dorfner, G.; Hofmann G. 2013: Milcherzeugung auf Grünland aus ökonomischer Sicht. In: „Agrarforschung hat Zukunft“, Wissenschaftstagung der LfL, LfL-Schriftenreihe 04/2013, Freising, 223 – 231.
Köhler, B.; Südekum, K.-H.; Spiekers, H.; Taube, F. 2014: Quantitative Erfassung von Masse- und Stoffströmen im Futterbaubetrieb. VDLUFA Kongressband 2014 Hohenheim, 411 – 415.
Köhler B.; Spiekers, H. 2015: Kennen Sie den Ertrag? DLG-Mitteilungen 4/2015, 88 – 90
Köhler, B.; Diepolder, M.; Thurner, S.; Spiekers, H. 2013: Effiziente Futterwirtschaft auf Betriebsebene. In: „Agrarforschung hat Zukunft“, Wissenschaftstagung der LfL, LfL-Schriftenreihe 04/2013, Freising, 203 – 212.
Köhler, B.; Diepolder, M.; Thurner, S.; Spiekers, H. 2014a: Effiziente Futterwirtschaft und Eiweißbereitstellung in Futterbaubetrieben. LfL-Schriftenreihe 05/2014, Freising, 141 S.
Köhler, B.; Dorfner, G.; Taube, F.; Spiekers, H. 2014b: Erfassung der Nährstoffströme im Futterbaubetrieb.
Hans-Eisenmann-Zentrum, 5. Agrarwissenschaftliches Symposium, Freising, Tagungsband, 47 – 48.
Rotz, C. A.; Oenema, J.; Van Keulen, H. 2006: Whole farm management to reduce nutrient losses from dairy farm: A simulation study. Appl. Eng. Agric. 22, 773 – 784.
Spiekers, H.; Köhler, B. 2010: Mehr Netto vom Brutto – Effizienz der Futterwirtschaft verbessern. In: Milchviehhaltung – Erfolgsfaktoren für Spitzenbetriebe. DLG Trendreport Spitzenbetriebe 2010, DLG e.V., Frankfurt a. M., 91 – 98.
Taube, F.; Herrmann, A.; Gierus, M.; Loges, R.; Schönbach, P. 2011: Nachhaltige Intensivierung der Futterproduktion zur Milcherzeugung. 55. Jahrestagung der AGGF, Oldenburg. Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft Grünland und Futterbau 12, 13 – 29.
Autoren:
In Abstimmung mit den DLG-Fachgremien
– DLG-Arbeitskreis Futter und Fütterung
– DLG-Ausschuss Futter- und Substratkonservierung
– DLG-Ausschuss Grünland und Futterbau
– DLG-Ausschuss Milchproduktion und Rinderhaltung
Autoren
– Brigitte Köhler, LLH, Kassel
– Prof. Dr. Hubert Spiekers, LfL Bayern, Grüb
– Prof. Dr. Karl-Heinz Südekum, Universität Bonn
– Dr. Walter Staudacher, DLG e.V., Frankfurt am Main
– Prof. Dr. Friedhelm Taube, Universität Kiel