12.05.2021
Zulassung 2021: Erkenntnisse und Analysen
ANBAUTIPPS FÜR DIE PRAXIS
Themen
Ackerbau Pflanzen
Zuchtfortschritt ist „Vergangenheitsbewältigung“. Die Entwicklung neuer Sorten geschieht weitestgehend unter freiem Himmel. Selektiert, angemeldet und nach drei Wertprüfungsjahren zugelassen werden die Stämme, die mit dem biotischen und abiotischen Stress der Vorjahre am besten zurechtkamen. Was bedeutet das für die diesjährigen Neuzulassungen? Eine Analyse von Paul Steinberg, Produktmanager Getreide.
Jeder Sortenjahrgang ist das Resultat der dazugehörigen Prüfhistorie – und damit auch des Witterungsverlaufs. Das betrifft z. B. Krankheiten, Frost oder Lager – und in den letzten Jahren vor allem Dürre, Hitze und Strahlungsstress (s. Böse, praxisnah 01/2021).
Alle Sorten des Zulassungsjahrgangs 2021 haben ihre Zulassung erhalten, weil sie sich in den Jahren 2018–2020 gegenüber den Vergleichs- und Verrechnungssorten behaupten konnten bzw. einen landeskulturellen Wert darstellen. Hierbei ist besonders das Jahr 2018 als extrem trocken und sehr heiß in Erinnerung. Auch 2019 war in sehr vielen Regionen viel zu trocken und überdurchschnittlich warm, dazu kamen einzelne Hitzetage in der Abreife. Das Jahr 2020 war bundesweit zwar sehr unterschiedlich, insgesamt war es aber glücklicherweise kühler als die Vorjahre, regional jedoch teilweise auch sehr trocken. Hinzu kamen Spätfrostereignisse im Frühjahr. Bei der Witterung der Jahre 2018 und 2019 waren bei der Wintergerste die Sorten leicht im Vorteil, die mittel bis früh abreifen wie zum Beispiel SU Laubella, SU Midnight und Lautetia. Genau diese Sorten waren es aber auch, die das Spätfrostereignis 2020 tendenziell härter getroffen hat, als die späteren Sorten wie z. B. SU Colombo. Abb. 1 zeigt dies sehr deutlich.
SU Midnight schiebt im Vergleich zu der Verrechnungssorte die Ähren früher, was in Verbindung mit dem Spätfrostereignis den ertraglich stärkeren Abfall in 2020 gut erklärt. In den Wertprüfungsjahren 2018 und 2019 war der Ertragsabstand deutlich größer, auch wenn es natürlich auch dort Jahreseffekte gab, die jedoch andere Ursachen hatten.
2021 kaum Mehrzeiler zugelassen – was waren die Gründe?
Unter den 14 neu zugelassenen Wintergerstensorten waren in diesem Jahr nur drei mehrzeilige Sorten. Das ist deutlich weniger als in den Vorjahren – auch wenn man die Anzahl der „ins Rennen gehenden“ Sortenstämme im ersten Wertprüfungsjahr im Verhältnis zur Zahl der zugelassenen Sorten betrachtet (Tab. 1).
Im Zulassungsjahrgang 2021 ist das Sortiment der zweizeiligen Wintergersten von der WP 1 zu WP 2 bzw. WP 2 auf WP 3 um jeweils ca. 30–40 % verringert worden. Im Jahr davor reduzierte sich das Portfolio von Jahr zu Jahr um jeweils die üblichen knapp 50 %. Bei den Mehrzeilern lagen die Reduktionsquoten der ersten beiden Wertprüfungsjahre des Zulassungsjahrganges 2021 bei ca. 64 bzw. 65 %. 2020 waren es ca. 65 % bzw. 53 % und waren damit deutlich höher als im Zweizeilersortiment. Der entscheidende Unterschied besteht jedoch in der Anzahl der zugelassenen Sorten im Vergleich zu den angemeldeten WP-3-Stämmen. Eine Sorte erhält nur dann eine Zulassung, wenn sie einen landeskulturellen Wert darstellt, also in einem Merkmal oder einer Kombination von Merkmalen gegenüber den eingetragenen Sorten eine Verbesserung verspricht.
Bild: Die Neuzulassung SU LAUBELLA ist auch sehr ramularia-gesund.
Während 2021 alle bis auf einen einzigen Kandidaten aus der WP 3 bei den Zweizeilern eine Zulassung erhielten, waren es bei den Mehrzeilern nur 3 von 8. Was führte dazu, dass im letzten Jahr so viele mehrzeilige Sortenstämme Probleme bekamen, aber nur ein einziger bei den zweizeiligen Gersten?
Zweizeilige Wintergersten bilden ihren Ertrag über die Bestandesdichte bei relativ fixer Kornzahl je Ähre. Wenn also die Bestandesdichte „gemacht ist“, dann ist der Ertrag fast final angelegt. Wohingegen die mehrzeiligen Wintergersten sowohl in der Bestandesdichte als auch in der Kornzahl je Ähre relativ flexibel sind und daher auf Trockenheit und Hitze deutlich stärker den Ertrag reduzieren. Aus diesem Grund haben die zweizeiligen Wintergersten bei schneller heißer Abreife oder ausgeprägter Frühsommertrockenheit ertragliche Vorteile. Solche Bedingungen kommen 2018 und 2019 in vielen Regionen vor. Diese Zusammenhänge könnten sicherlich mit dazu beigetragen haben, dass es nur drei zugelassene mehrzeilige Wintergersten in diesem Jahrgang gibt: SU Midnight, KWS Morris und Picasso. Wobei alle drei Sorten über eine solide Gesundheit verfügen und SU Midnight und KWS Morris darüber hinaus über eine gute Standfestigkeit. SU Midnight und Picasso sind doppelt virusresistent und SU Midnight hat darüber hinaus sogar eine dritte Resistenz gegen BaMMV und ist dazu die ertragsstärkste der drei Neuzulassungen (8/8).
Was macht den Erfolg von Sorten aus?
Die Optimalsorte ist ertragsstark, qualitativ hochwertig, gesund und standfest. Diese Zuchtziele zu kombinieren, ist die Hauptaufgabe der Züchter. In früheren Jahren war es noch deutlich einfacher, die ertragsstärkeren und dabei meist krankheitsanfälligeren Sorten durch Pflanzenschutz korrigierende Düngungsmaßnahmen gesund zu erhalten und so ihre ertragliche Überlegenheit auszuspielen. Durch die Änderungen der politischen Rahmenbedingungen haben sich jetzt jedoch auch die Anforderungen an Sorten und Zuchtziele geändert. Natürlich stehen an erster Stelle immer noch Ertrag und Qualität. Die Gesundheit bzw. Resistenzausstattung einer Sorte rücken jetzt jedoch zunehmend in den Fokus. Im Zulassungsjahrgang bei Winterweizen sieht man deutlich, dass ist die Kombination von Ertragsstärke und Gesundheit mit Sorten wie SU Fiete (B), Revolver (C) oder auch Knut (B) sehr gut gelungen.
Das Merkmal der Ertragskonstanz ist vor allem in den letzten extrem unterschiedlichen Jahren ein größeres Thema geworden, da sie wesentlich für die ackerbauliche Risikominimierung ist. Ein Beispiel für Ertragskonstanz ist in der Abbildung 2 dargestellt.
Hier werden die Ertragsschwankungen der Sorten einerseits grafisch durch Boxplots und andererseits durch die Angabe der Standardabweichung dargestellt. Es wird deutlich, dass die beispielhaft gewählte Neuzulassung SU Jonte im Vergleich zur Verrechnungsgruppe geringere ertragliche Schwankungen in den Wertprüfungsjahren aufweist. Diese Ertragskonstanz besteht aber nicht nur im Weizen – ein Sortenbeispiel für Triticale ist die Neuzulassung Bilboquet, die zusammen mit Lumaco und Charme zu den blattgesündesten Neuzulassungen gehört und mit geringer Intensität geführt werden kann (Low-Input-Eignung). Ähnlich verhält es sich mit SU Bebop, der ertragsstärksten und sehr gesunden Populationsroggen-Neuzulassung.
Fazit
Konnte noch vor wenigen Jahren eine fehlende Gesundheit problemlos mit entsprechendem Einsatz von Pflanzenschutz oder auch Düngungsmaßnahmen „korrigiert“ werden, stehen solche Korrekturmittel immer weniger zur Verfügung. Es geht also um die Kombination: Ertrag plus Gesundheit plus Ertragskonstanz. Dabei gibt es 2021 eine ganze Reihe von Neuzulassungen, die diesem Anforderungsprofil entsprechen.